Die eigene Stummheit verteidigen

Christoph Meckel zu Gast im Literaturforum des Brechthauses

  • Sybille Walter
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Es war ein Abend der Literatur, ein schöner Abend: Richard Pietraß hatte sich am Mittwoch Christoph Meckel, geboren 1935, als Gesprächspartner seiner Reihe »Dichterleben« im Literaturforum des Berliner Brecht-Hauses eingeladen. Meckel, gebürtiger Berliner und Sohn des Lyrikers Eberhard Meckel, wuchs als Kind nahe der Großstadt auf, bevor die Eltern nach Freiburg übersiedelten. Mitte der 50er Jahre kehrte Christoph Meckel nach Berlin zurück, lebt seither im Westen der Stadt. Im Gespräch mit Pietraß erwies er sich als freundlicher, immer wieder zum Widerspruch bereiter Partner: Zunächst hatte er wohl angedroht, lediglich zu lesen und sich weitergehenden Auskünften zu verweigern, gab die Auskünfte dann aber doch - akzentuiert und ein wenig karg, freundlich, jedoch bestimmt darauf verweisend, dieses oder jenes möge er nicht öffentlich machen. Über des Dichters Leben zum Beispiel spreche er ungern, und die Frage, warum er denn Gedichte schreibe, könne er bislang nur in seinen Gedichten beantworten: »Schreiben warum... Nußknackerfragen, ausgebissene Zähne...« Als Antwort biete er an, »...weil mir die beste aller Welten nicht gut genug ist« und auch »...weil ich meine Stummheit verteidigen will...« Erzählte dann aber doch von seinem Lebensweg und von prägenden Einflüssen. Sprach von seiner Beziehung zum Dichtervater, den das Kind Christoph als wunderbar erlebt hatte, der Heranwachsende jedoch als schrecklich. Berichtete, wie er 1975 die Tagebücher des 1969 verstorbenen, überzeugt deutschnationalen Vaters entdeckte und nach der Lektüre die Frage nicht los wurde, wie Ideologie Menschen prägen kann, wie sehr sie jene stranguliert, die ihr verhaftet sind. Allerdings gebe es späte Gedichte des Vaters, die er liebe, zum Beispiel das 1968 entstandene »Älter werden« des damals bereits schwerkranken Mannes. Eine schwierige Beziehung, über die Meckel an diesem Abend ebenso nur in Andeutungen sprach wie über anderes, das ihm zugesetzt hatte - den Hinauswurf aus dem Freiburger Realgymnasium zum Beispiel. Sehr viel lieber gab er Auskunft über seine ersten Schritte im Reich von Literatur und Grafik, sprach von Lehrern und Verlegern, die ihn beeindruckt und geprägt hatten. Und erinnerte so an das literarische Westberlin der späten fünfziger und frühen sechziger Jahre, erinnerte an Freunde, die Dichter Günter Bruno Fuchs und Robert Wolfgang Schnell im Westen und Johannes Bobrowski im Osten der Stadt. Seine geringe Begeisterung für die Gruppe 47 verschwieg er nicht: Er habe eine Einladung zu einem ihrer Treffen erhalten, als die Gruppe aus seiner Sicht schon kompromittiert war, allzu sehr auf literarische Anerkennung und ökonomischen Erfolg orientiert, allzu aggressiv gegenüber fremden literarischen Tönen: Paul Celan war nach seiner Lesung bereits ausgelacht worden. Immer wieder wählte Chrisoph Meckel Gedichte als Belege seiner Sicht, verwöhnte die Zuhörer zum Beispiel mit »Wettlauf« und dem in Jerusalem angeregten »Ich will auf einem Markt geboren sein«, las sein »Gedicht für später«, um drei der für mich schönsten zu nennen. Und so rundete sich der Abend zum interessanten und dabei absichtsvo...

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